So richtig kann ich mich nicht entscheiden wie ich den Ötztaler Radmarathon 2013 fand. Gut? Mein Ding? Hat es mir Spass gemacht? Die Antworten darauf wären jetzt durchaus ernüchternd aber trotzdem strahlt der Ötzi eine gewissen Reiz aus was sicherlich mit der zwischenzeitlichen Zielankunft zu tun hat. Ich erinnere mich noch gut daran wie ich am Jaufenpass vor mich hin fluchte „Was mache ich hier nur?“ oder „Einmal und nie wieder!„. Heute jedoch denke ich über eine mögliche weitere Teilnahme in den nächsten Jahre nach. Doch der Reihe nach.
Die Anreise war lang und eigentlich ganz entspannt. Ich hatte Zeit, keinen Stress und noch halb in der Nacht ging es mit dem Bike nach Bryne, dort schnappte ich mir mein am Vorabend im Büro deponiertes Gepäck, ging zum Bus der mich zum Flughafen brachte. Alles ganz entspannt. Dann ging es via Oslo und Frankfurt nach Innsbruck. Beeindruckt war ja wirklich von den letzten 20 Flugminuten bis Innsbruck. Man fliegt knapp über den Gipfeln hinweg, kann die Bergspitzen fast anfassen und dann gehts ab ins Tal hinein um dort zu landen. Eine wunderschöne Kulisse und Perspektive die ich da hatte.
Ich ahnte es ja schon, und sieh da ich hatte die richtige Vorahnung: Fahrrad da, Koffer nicht. Da ich beim packen noch irre viel Platz hatte steckte ich zum ersten – und zugleich letzten Mal – Radschuhe und Helm mit in den Koffer. Etwas was man eigentlich nie machen sollte für den Fall, das Gepäck kommt nicht mit. Nun hatte ich wirklich zum ersten Mal die Sachen in den Koffer gepackt und zack, schon ging es fast schief. Aber nur fast, da der Koffer dann noch am Abend ins Hotel gebracht wurde. Doch zurück zum Flughafen in Innsbruck.
Nun gut, Koffer fehlt aber Rad dabei. Also ab zum Six-Schalter den Mietwagen abholen – ich musste ja noch die 80 km bis Sölden kommen. Die Kiste hatte nen Navi, ich dachte cool gleich mal nutzen. Dummerweise vertippte ich bei der Zielauswahl und landete so in Söll statt in Sölden, was genau auf der anderen Seite von Innsbruck lag. So fuhr ich nach den ca. 80 km von Innsbruck nach Söll nochmal 150 km bis Sölden. Naja, ich hatte ja Zeit. In Sölden angekommen gleich als erstes die Startunterlagen abgeholt. Mein Magen knurte und so gings noch ab in ne Pizzeria bevor ich zum Hotel wollte. Da traf ich einen anderen Biker der seinen Anmeldebeutel mit sich rumtrug. Wir schwatzten ein wenig und man merkte wie die Anspannung in der Luft lag: die Wettervorhersagen für Sonntag waren nicht die Besten und so war es das Topthema Nr. 1. Es war bereits gegen 19 Uhr, also ab ins Hotel. Satt von der Pizza setzte ich mich ins Auto und fuhr die 15 km bergauf in Richtung Timmelsjoch, wo auf halber Höhe zw. Sölden und Timmelsjoch, genauer in Obergurgel, mein Hotel lag. Dort angekommen stellte ich fest: ich hab ja Halbpension und ich setzte mich gleich wieder an den Tisch. Ich sag euch, nach einem entspannten Start dann so ein Ende: Koffer nicht da, Falsche Richtung gefahren, Essen gehen und feststellen das man Halbpension hat.
Samstag morgen wachte ich dann nach den üblichen 6 Stunden schlaf auf. Tss, diese innere Uhr nervt manchmal. Frühstücken und dabei so richtig Zeit lassen, noch bissl rumgammeln, Bike checken und auf zu ner kleinen Testrunde. Nun war das Hotel am Berg und ich konnte wählen: zuerst runter nach Sölden und dann hoch zum Hotel oder lieber gleich hoch zum Timmelsjoch und wieder runter zum Hotel. Für die Variante entschied ich mich. Raus aus dem Hotel und rein in den Anstieg. Das Wetter war mittags noch ziemlich schön und ich genoss die Runde. Auch wenn sich hier schon abzeichnete das so ein langer Alpenanstieg doch härter ist als gedacht. Am Nachmittag fuhr ich mit dem Auto nach Sölden runter um ein wenig Rennstimmung zu schnuppern und um Martin zu treffen. Eigentlich wollten wir uns verabreden – brauchten wir aber gar nicht da wir uns so über den Weg liefen. Also genau lief ich Martin über denWeg. Martin kam auf mich zu und erkannte mich. Es ist immer wieder schön die echten Menschen hinter den Twitteraccounts kennen zu lernen. Am Abend versuchte ich mich zeitig schlafen zu gehen, aber wie das immer so ist: da fällt einem noch dieses und jenes ein und checkt nochmals dies und das. Und am Ende war ich wieder zu spät im Bett.
Raceday
Am Samstag abend wurde ich im Hotel von Ralf angesprochen ob ich auch beim Ötztaler starte und ich frage mich heute noch wie er darauf kam. Naja, egal. Wir plauderten ein wenig und ich bekam den ultimativen Parktip in Sölden: Die Tiefgarage eines Supermarktes. Da es wie vorhergesagt am Samstag Abend mit dem Regen anfing und es Sonntag morgen immer noch regnete, ein perfekter Ort sich ein- und sein Bike auszupacken. Für 6:45 war Start angesagt. 5 Uhr Frühstück, gegen 5:45 ins Auto und runter nach Sölden und so gegen 6:25 fand ich mich in der Startaufstellung wieder und wartete geduldig im Regen das es los geht. Einige hatten Freunde oder Familie dabei die in den Wartezeit noch den schützenden Regenschirm über die Fahrer hielt. Aber das war eigentlich alles egal … nass wurde es gleich für alle.
Ich brauchte vom Startschuss bis zur Überquerung der Startlinie gute 6 Minuten. Doch dann hiess es Vollgas geben. Die es ersten gut 40 km bis Ötz gehen leicht bergab so das man sich nicht nur rollen lassen kann sondern auch noch treten kann. Es war recht frisch um diese Uhrzeit, es regnete und das Tempo von im Schnitt 42 km/h auf der Strecke bis Ötz machte alles extra kalt. Schon jetzt bekam ich eine leise Vorahnung wie kalt es werden kann aber es ging irgendwie noch. Ich war halt kalt, aber noch nicht Schockgefroren. Nach Ötz kam der erste Anstieg nach Kühtai. Es regnete aber es lief noch ganz gut und vor allem: so ein Anstieg wärmt unglaublich. Das tat gut. Am Enstieg in den Berg war es ziemlich voll und ich befürchtete mehrfach ich müsste vom Rad runter. Dann streckte sich langsam das Feld, ich wurde nach hinten durchgereicht und irgendwann kam ich oben an. Dort lag auch die erste Essstation. Ich lies sie aus da ich mir dachte, hier würde ich nur frieren. Gefroren hab ich trotzdem und zwar ordentlich. So richtig mit zittern und Zähne klappern. Die ganze Abfahrt vom Kühtai runter. Die Hände waren kalt und steif und aus Angst vor der unbekannten Strecke und dem Regen stand ich eigentlich nur auf der Bremse. Viele Mutige Lebensmüden schossen an mir vorbei und ich frage ich ob die wirklich die Strecke so gut kennen oder ob die einfach ne Kamikazeabfahrt draus machen.
Unten angekommen weiter nach Innsbruck. Relativ flach. Allein. Endlich hatte das ganze mal wieder mit Radfahren zu tun. Treten, Gas geben und Biken was geht. Langsam, gaaaanz langsam wurde ich warm. Die Beine funktionierten, die Zähne klapperten lange. Aber es wurde. Ab Innsbruck ging es in den Brenneranstieg. Zwischenzeitlich hatte sich eine kleine Gruppe gebildet und es ging ziemlich zügig den Brenner hoch, teilweise mit 30 Sachen. Gleichzeitig begann der Himmel aufzuziehen, die Näse kam höchstens noch von unten und es wurde warm. Oben am Brenner die nächste Versorgungsstation und wieder fuhr ich vorbei und stürzte mich in die Abfahrt. Schnell hatte ich mal wieder zuviel gebremst und zack war ich allein. Aber im unteren Teil der Abfahrt konnte man wieder mal Biken und so gab ich ordentlich Kette und kam laaaangsam aber beständig an die in der Abfahrt verlorenen Gruppe ran. Unten angekommen kam auch gleich das erste Schild auf dem Stand: Jaufenpass. Zwischenzeitlich war es trocken, warm, die Sonne schien. Ich machte den Fehler aber alles anzubehalten. Viele entledigten sich hier am Fusse des Jaufenpasses von ein, zwei Schichten und fuhren so sicher etwas befreiter.
Meine Klamotten hatten noch ein weiteres Problem: Alles sitzt recht stramm und wenn ich so ne dünne Windjacke am Ende über alles drüberzieh, komme ich kaum noch an meine Trikottaschen ran. Das war ziemlicher Mist. Resultierend daraus hab ich sicherlich zu spät gegessen und als ich dann was zu Essen in der Hand hatte aber nicht alles Essen wollte, gelang es mir nicht auch nur einen der Riegel die ich in der Hand hatte wieder zurück zu stecken. Lange fuhr ich mit den Händen voll nach oben und irgendwann im Anstieg zum Jaufenpass hielt ich an. Ich hielt auch noch zwei weitere Male an, da ich ziemlich am Limit war. Diese langen Alpenanstiege waren wirklich laaaang, ungewohnt laaaaaaang. Und ich hatte darauf gehofft das sie gleichmässiger sind. Sind sie aber nicht. Sie machten mich ziemlich fertig und ich war froh als ich nach 161 km die Labestation am Jaufenpass erreichte. Anhalten und zulangen. Vor allem musste ich nun meine Trinkflasche auffüllen – die eine 1-Liter Flasche am Rad war nun auch langsam alle. Aber auch das Essen war geil und ich weiss garnicht wieviele, aber es waren viele, Käseschnitten ich reinstopfte. Mhhhh, lecker. Schon dafür hätte ich da noch ne Stunde verbringen können. Viele griffen zu Redbull, ich verstand das nicht und genoss meine Käseschnittchen 🙂 Von der Labestation gings noch ein kleines Stück bis zum Gipfel und dann in die lange Abfahrt. Ich war froh, ich war ziemlich durch und mental auch ziemlich genervt. Von mir, den Bergen, der nicht geraden perfekten Kleidung. Vieles war doof, ich aber oben und jetzt gings runter.
Italien war angesagt. Hätte ich mich daran erinnert, hätte ich es nicht bemerkt das ich irgendwo die Grenze überschritten hab. Spätestens im Tal wäre es mir aber wieder aufgefallen. „Südtirol ist nicht Italien“ stand auf vielen grossen Schilder und Plakaten. Es war warm, richtig warm und ich immer noch dick angezogen. Und gleich kam der Anstieg zum Timmelsjoch. Ich hielt auch an und zog endlich mal die Windjacke aus, stopfte die in meine Rückentasche und kam so vernünftig in meine Trikottaschen. Der Anstieg zum Jaufenpass hatte ich noch im Kopf und damit auch den Respekt vorm Berg. Ich weiss nicht woran es lag, aber ich Empfand den Anstieg hoch zum Timmelsjoch als angenehmer und schneller was natürlich nicht stimmt da ich ne Stunde länger unterwegs war als noch hoch zum Jaufenpass. Aber so ist das eben manchmal mit der subjektiven und objektiven Wahrnehmung. Im Anstieg gabs eine Labstation, quasi meine zweite an der ich stoppte. Käseschnittchen, Orangen, Cola. Relativ kurz und weiter. Jetzt wurde es etwas steiler und ich merkte das es nicht so richtig gut läuft. Anhalten, kurz verschnaufen war angesagt. Einmal, ein zweites Mal. Dazustehen und die anderen vorbeiziehen zu lassen empfind ich als deprimierend. Und dann fragt einer der vorbeifahrenden einen Streckenposten „Das ist da vorn die letzte Serpentine?“. „Ja, danach gehts in den Tunnel und du bist oben“. WTF! Ich mache kurz vor dem Gipfel nen kleinen Stop? Mein Garmin sagt mir noch 3 km und dann sollen wir gleich oben sein? Naja, wieder ruf auf den Bock und los. Es war zwar keine drei Kilometer, ein oder zwei recht flache Kilometer waren es dann doch noch bis es in die Abfahrt ging. Jetzt kenn ich zumindest die Strecke und nochmal wird mir das nicht passieren. Oben, im Flachen Abschnitt konnte ich wieder fahren, nen Rhythmus finden. Viele überholen. Gut fürs Ego. Die Abfahrt vom Timmelsjoch kannte ich und so konnte ich hier etwas mehr Gas geben, versuchen technisch etwas besser zu fahren. Nochmal ein kurzer Anstieg, 200 hm die mir wie 500 vorkamen. Dann wieder runter, am Hotel vorbei. Drei, vier Serpentienen und dann die leicht abfallenden letzten Kilometer. Endlicher wieder biken. Endlich wieder Gas geben können. Hach, sowas macht Spass. Am Ende nochmal so richtig aufdrehen, am Anschlag pedalieren und einen nach dem anderen einfahren. Zwei, drei Leute hangen hinten dran und liessen wieder abreisen. Einer hielt durch und meinte ein paar hundert Meter vor dem Ziel aus dem Windschatten den Zielsprint zu eröffnen. Zack war er vorbei, ich chancenlos. Dachte ich bis ich merkte bei ihm reicht es für keine hundert Meter. Also zog ich durch, an ihm vorbei und der kleine Trostdrops war gelutscht. Nochmal rechts abbiegen und ab durchs Ziel. Geschafft.
Da Stand ich nun im Ziel. Viele waren in Gesellschaft und gratulieren sich. Ich bedankte mich noch bei dem anderen Biker für den Zielsprint und verliess dann den Zielbereich. Es war so gegen halb sechs als ich mich in die Festhalle begab wo man noch etwas entspannen, essen und trinken konnte. Die Strasse hoch zum Hotel war noch bis 19 Uhr gesperrt, ich hatte Zeit. Kaiserschmarn geholt – was für ein geiles Zeug – und iPhone gezückt. Hach war das eine Freude Twitter zu öffnen und zu sehen was das so abging. Ganz toll und plötzlich fühlte man sich auch nicht mehr so „allein“ im Ziel. Eher hatte ich das Gefühl das viele Freunde links und rechts neben mir sassen und wir gerade eine wunderbare Zeit verlebten. Wirklich genial und DANKE! Ganz ganz grosses Kino von Euch!
Kurz vor 19 Uhr gings dann ab zum Auto und zurück ins Hotel, Duschen und Abendessen. Ralf aus dem Hotel kam dann auch gerade. Er hatte sein Fahrrad aus der Sammelstelle abgeholt. DNF in Innsbruck. In Innsbruck war durch, dachte an seine Familie und kleine Tochter. Er wollte nix riskieren und traf für sich die richtige Entscheidung. Am Abend tranken wir noch nen Bierchen zusammen und es war schön wieder nette Menschen kennen zu lernen. Er war schon glaub ich schon viermal dabei und immer im selben Hotel. Sollte ich nächstes Jahr wieder starten, werd ich mich dort auch wieder einnisten. Schön so nen Anlaufpunkt zu haben 🙂
Montag ging es wieder zurück von Innsbruck. Diesmal ohne Umweg zum Flughafen und dann wie Frankfurt und Oslo zurück. In Oslo wurde ich schon ausgerufen als klar war, mein Gepäck ist aus Frankfurt nicht mitgekommen. Also ab zum Flieger nach Stavanger, dort die Gepäcknachforschung beauftragen und nach Hause. Meine Familie Empfang mich am Flughafen was immer wieder schön ist.
Muskelkater oder schwere Beine? Fehlanzeige. Nicht am Abend nach dem Rennen, nicht am nächsten Tag oder den Tagen darauf. Es war merkwürdig. In den Anstiegen musste ich anhalten und es lief ziemlich schwer, aber kaputt war ich trotzdem nicht. Vermutlich hat hier mein Kopf nicht mehr gewollt und die Kontrolle übernommen. Was hab ich geflucht während des Rennens aber jetzt, wo ich wieder zu Hause bin hab ich echt Bock auf eine weitere Teilnahme. Was mich reizt? Die Zeit verbessern. Ganz klar. Ich mag Berge aber kam mit den langen Anstiegen in den Alpen nicht klar. Spass hatte ich selten aber trotzdem will ich nochmal hin. Schneller sein, deutlich schneller. Jetzt wo ich die Strecke etwas kenne, etwas mehr aus dem Abfahrten rausholen kann. Es ist das ganze Gegenteil von LEL. Hier will ich wieder hin weil das Event rockt. Der Ötztaler hat dagegen meinen Konkurrenzinstinkt geweckt. Mal sehen ob die nächste Monate anhält. Das hängt auch ab wie sich jetzt meine Hände entwickeln, wann ich wieder länger aufs Rad und trainieren kann. Die Achillessehnen waren völlig unproblematisch in Sölden, aber die Hände nicht. Schalten statt mit dem Daumen, gleich den ganzen Handballen nutzen. Das muss ich jetzt mal richtig auskurieren und hoffentlich im Herbst wieder ordentlich anfangen können. Vielleicht hab ich dann auch schon wieder mein Rennrad fit mit neuem Rahmen. Aber warten wir jetzt ab und nutzen die Zeit uns mal Gedanken um 2014 machen. Ötztaler 2014?
Hier noch ein paar Zahlen: Im Ziel nach 10 Stunden 30 Minuten und 8 Sekunden. Master 1 Platz 558, Gesamt 901. Von den rund 4000 Startner sind nur 3300 angetreten und nur 2400 ins Ziel gekommen. Kompletten Daten gibts auf Strava oder Garmin Connect (schön mit Temperaturkurve).
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